Theatergastspiele Kempf GmbH
Gefährliche
Liebschaften
SCHAUSPIEL VON CHRISTOPHER HAMPTON
Les Liaisons Dang

Aktuelle Spielzeit:
12. Februar bis 14. März 2009 und
10. Oktober bis 30. November 2009
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Am Ende sind alle Opfer
Ausgezeichnete "Gefährliche Liebschaften" mit Theatergastspielen Kempf

"Gefährliche Liebschaften" und die zerstörerischen Spiele des französischen Adels zeigten die Theatergastspiele Kempf in der Stadthalle Göppingen.
 
Göppingen. Ach ja, das ferne Rokoko. Zeit des Leichtsinns, der Genusssucht. Der französische Adel lebte Ende des 18. Jahrhunderts in Saus' und Braus auf Pump. Frankreich stand vor dem Staatsbankrott. Grausame Spiele lenkten von Stumpfsinn ab. Tatsächlich so fern? Die Theatergastspiele Kempf aus München haben gerade jetzt ein Stück im Programm, das die Herrschaft des Scheins über Moral und Authentizität nicht besser aufzeigen könnte: "Gefährliche Liebschaften", das Schauspiel von Christopher Hampton nach dem Briefroman von Pierre-Ambroise-Francois Choderlos de Laclos.
 
Siemen Rühaak inszenierte und gibt den Vicomte de Valmont. Er betört mit Esprit und Charme, verführt alle Frauen, die vor ihm fliehen. Er nimmt nicht, was er kriegen kann. Er holt sich, was noch nicht moralisch zerfleddert ist. Siemen Rühaak agiert gewaltig - trotz starker Erkältung vermag er flammende Begierde und empfindsame Leidenschaft vorzutäuschen, er zerbricht und rast wieder empor. Angelika Perdelwitz gibt der Marquise de Merteuil die Gestalt einer Getriebenen. Die brillanteste Intrigantin der Pariser Gesellschaft hat so viel Machtwahn, Zynismus und. Unbarmherzigkeit, dass das Publikum zeitweise wie erstarrt scheint. Jederzeit perfekt, beherrscht sie sich selbst und alle um sich - und dann zerfällt ihre Seele. Einfach so, mitten in ihrem unbewegten Gesicht. Angelika Perdelwitz kann rasen, brüllen und schnurren, aber sie braucht keine große Geste, sie braucht nur diesen einen kurzen Moment. Da begreift ihr Publikum, dass sie längst selbst Opfer ihres eigenen Spieles ist.
 
Christa Pasch trägt die Verletzbarkeit der Präsidentin de Tourvel wie eine seltene Blüte in Haltung, Stimme und Handlung - wunderbar. Anna Kaminski ist als 15-jährige Cecile rauschhaft unschuldig und als Prostituierte Emilie aufrichtig verrucht. Auch alle anderen Figuren überzeugen. Die Darstellenden beherrschen ihr Handwerk. Siemen Rühaak gelang es mit einer feinen Mischung aus dramatischer Detailtiefe und erlösendem Humor einen Mantel aus moralischer Klarheit zu weben. Mit dem schlicht gehaltenen Bühnenbild - goldener Bilderrahmen vor rotem Grund und einem einfachen weißen Vorhang - ermöglicht Claudia Weinhart Spielräume und Interpretationsvielfalt gleichermaßen. Einzig die eingespielten Musikstücke von Bach über Händel und Vivaldi zu Lambchop und Tuck Patti weisen Züge von Kitsch. Sie sollen, so Rühaak, einen Zeitbogen spannen...
 
Neue Württembergische Zeitung, 11.2.2009 - Von ANDREA MAIER
 
   

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Vom Missbrauch der Liebe
Zum Valentinstag erlebte das Publikum im Weseler Bühnenhaus einen Theaterabend jenseits seichter Gefühlsduselei.

Liebe, Verrat und Intrige: Es war ein durchweg spannender und mitreißender Theaterabend, den das Ensemble der Theatergastspiele Kempf aus München dem Publikum im Bühnenhaus bot. Die Liebe im allgegenwärtigen Mittelpunkt, missbraucht für die zynischen Launen des dekadenten Adels - das kam an bei den rund 400 Zuschauern, die am Valentinstag nicht mit seichter Gefühlsduselei und harmonischem Liebestaumel verzaubert wurden, sondern in die Abgründe einer Gesellschaft schauten, in der die Langeweile mit der psychischen Zerstörung anderer vertrieben wird. Und in der Rache, Eifersucht und ziellose Verführung dem vergnüglichen Zeitvertreib dienen. "Gefährliche Liebschaften" - ein Stück mit Gegensätzen.
 
Die inhaltliche Idee hart und skrupellos, die Inszenierung überspitzt, unterhaltsam und in Teilen beinahe komödiantisch. Der manch einem von zahlreichen Fernseh-Rollen bekannte Siemen Rühaak, der in dem Schauspiel von Christopher Hampton Regie führte und selbst auch agierte, fand die Balance zwischen beeindruckender Charakterdarstellung und zynischer Komik ohne Umwege. Geradezu meisterhaft ließen er und die anderen Schauspieler die Figuren des französischen Adels auf der Bühne lebendig werden und sorgten vor atemberaubender Kulisse für beste, gar nicht oberflächliche Samstagabend-Unterhaltung.
 
Weite, glänzend ausstaffierte Roben wie in Zeiten vor der Französischen Revolution ließen die Zuschauer auch optisch vollends ins Geschehen eintauchen. Die Umsetzung des Bühnenbildes zeugte von Einfallsreichtum und Kreativität. So purzelten die Figuren gleich zu Beginn der Reihe nach aus ihren lebensgroßen Gemälden, in denen sie zuvor minutenlang wie in einem Ölbild regungslos verharrten.
 
Die Zuschauer im Bühnenhaus bedankten sich für den pfiffigen und unterhaltsamen Theaterabend mit lang anhaltendem Applaus.
 
WAZ, 15.02.2009, Wesel
 
   

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Brillante Boshaftigkeit
Gestern Abend im Kulturhaus: Grandios gespielte Inszenierung der "Gefährlichen Liebschaften". Körperbetont und gänzlich unprüde

LÜDENSCHEID. Der Vicomte hat Humor: Den herzzerreißenden Brief an die Präsidentin de Tourvel, deren Liebe er genießen möchte, garniert er mit wunderbar schmachtenden Zeilen: "Die Unterlage, auf der ich schreibe, wird zu einem Altar der Liebe", liest sie - nicht ahnend, dass diese Unterlage der Rücken einer Prostituierten war. Doch der Vicomte weiß, was sich gehört und schreibt eine nur scheinbar galante Entschuldigung, denn keine anständige Frau kann sich vorstellen, dass er die darauf folgende Bitte wörtlich meint: "Vergeben Sie mir die Zügellosigkeit meiner Wollust."
 
Zwei wunderbare "Bösewichter" machten gestern Abend die Bühne des Kulturhauses unsicher, und es war das Verdienst einer beeindruckend unprüden Inszenierung der "Gefährlichen Liebschaften", dass das unmoralische Treiben der beiden durchaus faszinierte. So war etwa die Lust des Vicomte, die Blümchenexistenz der von Christa Pasch ganz zauberhaft gespielten Präsidentin de Tourvel zu zerstören, durchaus nachfühlbar: "Ich will die Erregung, wie sie alles, was ihr lieb und teuer ist, verrät", gestand der Vicomte und zählte auf: die Tugend, Gott, den Gatten, "den sie zu lieben glaubt". Und tatsächlich entzündeten sich kurz darauf ihre Leidenschaften in einer Art und Weise, die wohl niemand in seinem Leben missen sollte. Ohne den Vicomte, der sie zerstört, hätte sie etwas verpasst.
 
Neben dem beeindruckenden Siemen Rühaak in der Rolle des Vicomte de Valmont spielte Angelika Perdelwitz die Rolle der Marquise so überzeugend, dass überhaupt nicht mehr wahrnehmbar war, dass sie erst zur aktuellen Neuinszenierung dieser Produktion der Theatergastspiele Kempf aus dem Jahr 2007 hinzugekommen war. Mit brillanter Boshaftigkeit tobte sie ihre Machtgelüste und ihren Drang, alles intellektuell zu beherrschen, ausgerechnet in der verletzlichsten Sphäre ihrer Mitmenschen aus, der Liebe.
 
Schlimm genug, dass schon bald fast alles so ging, wie es von ihr "geplant" war. "Liebe ist etwas, was man benutzt, nichts, dem man verfällt", lautete ihre Devise und mit perfider sozialer Intelligenz setzte sie dort an, wo es weh tat: "Das Herz eines jeden Menschen hat "ein Geheimnis, dessen dauerhafte Verschleierung ihm am Herzen liegt".
 
Humor hatte Siemen Rühaak für seine Inszenierung angekündigt, und von dem gab es eine ordentliche Portion: Glücklicherweise war das Publikum ja jederzeit im Bilde über die Ränkespiele der beiden Hauptfiguren und die bissen sich wunderbar mit den zahlreichen frommen Sprüchen der beiden gegenüber den Opfern. Denn die verkannten ihr Zappeln im Spinnennetz und nahmen immer wieder die Hilfe der Marquise und des Vicomes in Anspruch. "Wenn das kein perfektes Theater ist", bemerkte Valmont. Ja, die gestrige Premiere war nahe dran.
 
Thomas Krumm
Lüdenscheider Nachrichten, 13.02.2009

 
   

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Meisterwerk der Theaterkunst
Odeon: Siemen Rühaak glänzt als Vicomte De Valmont in "Gefährliche Liebschaften"

GOSLAR. "Keinen Charakter, keine Moral - einfach köstlich." Die Marquise de Merteuil bringt es auf den Punkt: Christopher Hamptons Theaterstück "Gefährliche Liebschaften" zeigt eine maßlos pervertierte, dekadente Gesellschaft, bestehend aus entarteten französischen Aristokraten des 18. Jahrhunderts, die ungeniert raffinierte Boshaftigkeiten ausbrüten und sexuelle Intrigen spinnen. Rücksicht auf wahre Gefühle gibt es keine, und so nehmen die Hauptpersonen kaltherzig in Kauf, das Leben weniger berechnender Personen zu zerstören.
Kommen dennoch ungeplant wahre Gefühle ins Spiel, führt dies unweigerlich zur Katastrophe.
 
Perfide Spiele
 
Gebannt verfolgten die Zuschauer am Mittwoch im Odeon, wie der Vicomte De Valmont und die Marquise de Merteuil ihre perfiden Spiele ersannen und routiniert in die Tat umsetzten. Fantastisch spielend zeigte Siemen Rühaak den schon etwas in die Jahre gekommenen Charmeur, der angesichts ungezählter Eroberungen fast schon aller Dinge überdrüssig und abgestumpft ist. (…)
 
Anna Kaminski verkörperte erfolgreich zwei Gestalten, die wohl kaum gegensätzlicher sein können: auf der einen Seite die flatterhafte, liebeserfahrene Prostituierte Emile, auf der anderen hingegen die junge, schüchterne Anna aus guten Hause, die gerade aus der Klosterschule gekommen ist. Gegen das Werben des Vicomtes hatte sie in ihrer Ahnungslosigkeit keine Chance.
 
Erfolgreicher wehrte sich Madame de Tourvel, die Christa Pasch als tugendhaften, frömmelnden Unschuldsengel darstellte. Doch auch sie war letztlich machtlos gegen Gefühle und eine Selbstmorddrohung des Vicomte.
 
Stück der Gegensätze
 
Jeder mit jedem, gebrochene Versprechen, Eleganz und geschliffener Witz, zum Schluss grenzenlose Enttäuschung und großer Hass - dieses Stück lebt wahrlich von Gegensätzen. So erscheint das Ende logisch: Der Vicomte fällt im Duell, Madame der Tourvel stirbt geistig verwirrt. Alle anderen Personen sind ruiniert - manchen gönnt es der Zuschauer von Herzen, bei anderen wieder hat er Mitleid. Ein Meisterwerk der Theaterkunst, das hinter dem hoch gelobten Kinofilm mit John Malkovich nicht zurückstehen muss, vor allem nicht vor dem Hintergrund der räumlichen Beschränktheit eines Theaters. Das von Claudia Weinhart entworfene Bühnenbild, das an goldene Bilderrahmen erinnerte, erwies sich als äußerst wandelbar und entführte in Parks, Paläste und Schlafzimmer.
 
Catrin Kammer
Goslarsche Zeitung, 23.03.2007

 
   

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Die Unmoral behält nur scheinbar das letzte Wort
Gefährliche Liebschaften in der Stadthalle

Lübbecke (WB). Anzüglich und unmoralisch ging es in der Stadthalle zu. Aber keine Angst: Die Grenzen des guten Geschmacks wurden natürlich nicht überschritten, und auch die Unmoral behielt in dem Schauspiel "Gefährliche Liebschaften" das der Kulturring am Freitag dem Lübbecker Theaterpublikum präsentierte, nur scheinbar das letzte Wort.
 
Der berühmte Briefroman von Choderlos de Laclos diente als Vorlage für das Theaterstück von Christopher Hampton, der auch schon das Drehbuch für die wohl bekannteste Verfilmung des Stoffes (mit John Malkovitch, Glenn Close und Michelle Pfeiffer) geschrieben hatte.
Das Stück spielt im Frankreich des 18. Jahrhunderts, noch vor der Revolution. Die Macht liegt in den Händen einer Aristokratie, die nur mit sich selbst beschäftigt ist und keine größere Sorge kennt, als möglichst angenehm und kurzweilig den Tag zu verbringen. Auch die Marquise de Merteuil (Gudrun Gabriel), elegant, hochgebildet und trotz ihres charmanten Auftretens vollkommen skrupellos, gehört dazu.
 
Sie erhält eines Tages Besuch von ihrer Verwandten, Madame de Volanges (Dunja Bengsch), die ihr ihre Tochter Cecile (Anna Kaminski) vorstellt, ein junges Mädchen, das frisch aus der Klosterschule kommt. Cecile soll den Comte de Gercourt heiraten, schwärmt aber in aller Unschuld für den jungen Chevalier Danceny (Alexander Kreuzer). Die Marquise wittert eine Gelegenheit, sich an ihrem ehemaligen Geliebten Gercourt zu rächen. Sie bittet ihren alten Freund, den berüchtigten Frauenhelden und Intriganten Vicomte de Valmont (Siemen Rühaak), Cecile zu verführen.
 
Der Vicomte willigt gern ein, hat es aber momentan vor allem auf die Präsidentin de Tourvel (Christa Pasch) abgesehen. Sie gilt als tugendhafte, treue Ehefrau und wird gerade deshalb für Valmont zum Objekt der Begierde. Valmont und die Marquise beginnen ein zynisches und unmoralisches Spiel, in dem die Marquise den Einsatz für Valmont noch erhöht: Sie verspricht ihm eine Liebesnacht, wenn er bei Madame de Tourvel Erfolg hat.
Für Valmont ist es ein Leichtes, die unerfahrene Cecile zu seiner Geliebten zu machen, aber Madame de Tourvel widersteht seinen Avancen zunächst. Er muss alle Register ziehen, schafft es aber tatsächlich, ihren Widerstand zu brechen. Doch Valmont übersteht die Affäre nicht so gefühllos, wie er sie begonnen hat. Die Marquise verweigert ihm daraufhin die versprochene Belohnung und erklärt ihm den Krieg. Auf ihr Betreiben hin tötet der Chevalier Danceny Valmont im Duell. Auch die anderen können in dem Spiel, das die Marquise mit ihnen spielt, nur verlieren: Madame de Tourvel stirbt, Cecile geht ins Kloster, und Danceny tritt dem Orden der Malteser bei. Die Marquise aber beginnt ungerührt mit der Suche nach einem neuen Zeitvertreib: "Spielen wir weiter!"
 
Siemen Rühaak als Valmont (zunächst aalglatt, dann zunehmend die Contenance verlierend) und Gudrun Gabriel als Marquise de Merteuil (eine Kunstfigur im prächtigen Reifrock) zogen die Zuschauer immer tiefer in ihre "gefährlichen Liebschaften" hinein. Dabei ging Hamptons Schauspielfassung sogar noch weiter als die Romanvorlage, in der auch die Marquise schließlich den Lohn ihrer schlechten Tat empfängt. Hier stand die Marquise vor der "Galerie" ihrer Opfer, und nichts milderte ihr menschenverachtendes "Spielen wir weiter!".
 
Konsequent steuerte Pia Hänggis Regie auf dieses eindrucksvolle Schlussbild zu, das - wie die ganze Aufführung - viel der hervorragenden Ausstattung verdankte. Annemarie Riecks aufwändige Rokokokostüme und Claudia Weinharts schlichtes, aber sehr effektives Bühnenbild aus sieben großen vergoldeten Rahmen waren echte Hingucker und allein schon sehenswert.
 
Cornelia Müller
Lübbecker Kreiszeitung, 27.02.2007

 
   

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Die Täuscherin und der Erpresser
Christopher Hamptons "Gefährliche Liebschaften" zeigt kalkulierte Strategien

Lübbecke. "Erobern, das ist unsere Bestimmung, und man muss ihr folgen", schreibt Vicomte de Valmont an Marquise de Merteuil. Er begehrt sie - und sie begehrt die Macht; über Valmont und alle Männer. Von Genusssucht, Machtbesessenheit, Rache und vor allem von Begierde getrieben, werfen die beiden ein Netz aus Intrigen aus, um den einen oder anderen erotischen Fang zu machen.
 
Wenn aus "Gefährlichen Liebschaften" verhängnisvolle Affären werden, stehen entweder Glenn Close und John Malkovich in dem mehrfach Oscar ausgezeichneten Film vor der Kamera, oder Gudrun Gabriel und Siemen Rühaak im gleichnamigen Schauspiel Christopher Hamptons auf der Bühne. Sie schultern in der Lübbecker Stadthalle eine gewaltige Textlast, der Choderlos de Laclos' berühmter Briefroman, eine kluge, kühne, erotische Gesellschaftskritik am Vorabend der Französischen Revolution, zugrunde liegt.
In einem gefährlichen Spiel, dessen einziger Einsatz andere Menschen sind, die sie ohne Bedenken zugrunde richten, verstricken sie Valmont und Merteuil schließlich in kühlen, kalkulierten Strategien.
 
Heiße Leidenschaften entspinnen sich.
 
Wenn sich aber heiße Leidenschaften entspinnen, die ihre teuflischen Taktiken und lüsternen Züge behindern, werden diese am Ende Spieler und Opfer gleichermaßen zerstören. Grausamkeit, Verrat und Untreue sind für die eiskalte Marquise de Merteuil Tugenden, die sie ihrem einstigen Geliebten, dem berüchtigt verruchten Verführer Valmont, abverlangt. Er soll für sie Rache nehmen an dem sie verschmähenden Comte der Gercourt, indem er seiner Braut, der blutjungen, gerade dem Kloster entflohenen Cecile, die Unschuld raubt: Gercourts Bedingung für die Ehe.
 
Herausragend spielt dabei Gudrun Gabriel die Täuscherin, deren vorgegebenes Verständnis und dargereichte Hilfsbereitschaft ihre Opfer in die Falle ihrer Manipulationen lockt. Rühaak, zweifelsfrei ein grandioser Schauspieler, gibt alles, um das Vertrauen Ceciles zu gewinnen und ihren Körper zu entflammen. Gleichzeitig scheut er nicht vor Erpressung, Einschüchterung, vermeintlichen Wohltaten und Selbstmorddrohungen zurück, die tugendhafte und verheiratete Madame de Tourvel zu verführen, um seine Wette mit der Merteuil und damit eine Liebesnacht zu gewinnen. Es ist ein grausames Komplott mit raffiniert dosierten Intrigen, ein Kriegsspiel im Kosmos der gelangweilten Adelswelt, das keinen Sieger kennt, ein hitzig erotisches Spiel, das zum Krieg der Strategen wird. Die Spieler sind Krieger und ihr Spielfeld ist ein Schlachtfeld: die Liebe. Fazit: Ein großartiges Theater um Gefühle, ein starkes Stück Gefühlstheater.
 
Von Patrick Menzel
Neue Westfälische, 26.02.20

 
   

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Pointierte Bosheiten, Verführung und Intrigen
"Theatergastspiele Kempf" mit exzellenter Aufführung des Dramas "Gefährliche Liebschaften"

PAPENBURG. "Liebe ist etwas, was man benutzt, nicht etwas, dem man verfällt." So beschreibt Marquise de Merteuil, eine der beiden Hauptfiguren im Theaterstück "Gefährliche Liebschaften", die in der Zeit vor der französischen Revolution selbstverständliche Instrumentalisierung der Gefühle.
 
In intriganten Spielen mit der Liebe ist die Marquise eine Virtuosin: Mit Liebesversprechungen kann sie Männer locken, hinhalten, beherrschen - und sie benutzen. Beispielweise, um sich an einer Rivalin zu rächen, den guten Ruf einer Familie zu ruinieren oder einen abgelegten Liebhaber zu demütigen. Oder, ganz einfach aus Spaß am Spiel, eine als besonders tugendhaft bekannte Frau verführen zu lassen und aus der öffentlichen Vernichtung der Gebrandmarkten ein grausames Vergnügen zu ziehen. Am Ende klatscht sie kokett in die Hände, nachdem sie ihre Freunde ruiniert und ihr soziales Umfeld verwüstet hat: "Machen wir weiter!"
 
In dieser hoch verdichteten und erotischen Inszenierung der Münchner "Theatergastspiele Kempf" unter der Regie von Pia Hänggi spielte Gudrun Gabriel die kapriziöse Teufelin mit einer irritierenden Mischung aus Frivolität, Übermut, Lust an Lug und Trug und gespielter Leidenschaft. Faszinierend ihr Ballett von intimer Annäherung und Sich-Entziehen in den Szenen mit dem Comte de Valmont, den sie umgarnt. Ihn hat sie zum Werkzeug ihrer Intrigen ausersehen, um alte Rechnungen zu begleichen. Siemen Rühaak spielte diesen ebenso intelligenten wie eitlen Verführer als alternden Beau, der die Spielchen der Marquise völlig durchschaut und weiß, wie man sie leiden lässt: indem man sie eifersüchtig macht.
 
Es war ein Vergnügen, diese alten Partner in eroticis ihre pointierten Bosheiten austauschen zu sehen, wobei man sich stellenweise eher im Münchner Party- und Schickeria-Milieu als im feudalen Frankreich glaubte: Ein Eindruck, zu dem sicher auch die moderne, locker fließende Übersetzung von Alissa und Martin Waiser einiges beigetragen hat.
 
Der Comte begehrt die Marquise, aber sie entzieht sich ihm. Sie wird ihn erst "belohnen", wenn er eine schier unmögliche Aufgabe erledigt hat: die tugendhafte Madame de Tourvel zu verführen und zu entehren. Er lässt sich auf die vorgeschlagene Wette ein: Nicht, weil ihm etwas an der frommen Devoten läge, sondern weil sein Ruhm als Verführer auf dem Spiel steht. Es gelingt. Mme de Tourvel, in ihrer Zerrissenheit zwischen Selbstachtung und Begehren grandios gespielt von Christa Pasch, gibt sich dem Verführer hin und wird von ihm grausam verlassen. Diese Szenen sind vielleicht die stärksten, weil verstörendsten der Aufführung. Sie werden durch eine leichtfertig-frivole Nebenhandlung gedoppelt, in der der Comte aus reinem Übermut eine naive unschuldige Adlige (Anna Kaminski) kurz vor ihrer Hochzeit verführt, die ihre Schande im Kloster büßen muss. Ihr ebenfalls entehrter Verlobter Danceny (Alexander Kreuzer) fordert den Comte zum Duell - und tötet ihn.
 
In einem eindringlichen Schlusstableau liegen die Opfer der Merteuil in den hohen, goldenen Rahmen, die die von Claudia Weinhart gestaltete raffiniert einfache Bühne bilden und in denen sie sich vorher gespreizt und gespiegelt haben. Und man denkt unwillkürlich an den schmalen Rahmen der Guillotine, die den perversen Vergnügungen des Ancien Régime wenige Jahre später ein blutiges Ende bereiten wird.
 
Josef Ehl
Ems-Zeitung, 10.02.2007

 
   

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Fieses Intrigenspiel um eine unerfüllte Liebe
Theatergastspiele Kempf präsentierte rundherum gelungene Aufführung

Buxtehude. Mit dem Schauspiel "Gefährliche Liebschaften" von Christopher Hampton in der Regie von Pia Hänggi war am Mittwochabend auf der Halepaghen-Bühne ein amüsantes, aber auch nachdenklich stimmendes Stück zu sehen. Das Publikum dankte mit viel Applaus, eine Zuschauerin sagte beim Hinausgehen begeistert: "Das war mal wieder schönes Theater."
 
Bereits vor 200 Jahren schrieb Choderlos de Laclos seinen berühmten Briefroman. Mit dem Stück wollte er die exzessiven Spiele der adligen Dekadenz moralisch bloßstellen. Gelungen ist es ihm im Zeitalter der Aufklärung, als Empfindsamkeit und bürgerlichem Trauerspiel gefrönt wurden, nicht. Wohl aber ist sein Briefroman als provokante Literatur in die Geschichte eingegangen.
 
Das Stück spielt in Frankreich kurz vor der Französischen Revolution. Die Marquise de Merteuil sinnt auf Rache. Ihr ehemaliger Liebhaber hat sie verlassen, um die junge Cécile, gerade der Erziehung im Kloster entwachsen, zu heiraten. Um ihren Plan umzusetzen, bedient sie sich ihres Ex-Liebhabers Vicomte de Valmont. Er soll Cécile verführen.
 
Valmont aber hat höhere Ambitionen. Beim Besuch seiner Tante auf dem Land hat er die junge und ehrbar verheiratete Madame de Tourvel kennen gelernt. Er, eher für seine Affären und Intrigen bekannt, entwickelt tiefe Gefühle für sie. Gerade weil die Tourvel für ihre strikte Moral und Religiosität bekannt ist, stellt sie die eigentliche Herausforderung für Valmont dar.
 
Der Marquise der Merteuil gefällt dies überhaupt nicht. Sie beginnt mit Valmont einen Kampf um die Macht über das jeweils andere Geschlecht. Hinter allem steht das Problem der beiden, dass sie die echten Gefühle, die sie immer noch füreinander verspüren, nicht zulassen wollen.
Siemen Rühaak spielt den Verführer und Herzensbrecher Vicomte, der immer bekommt, was er will, mit Bravour. Gudrun Gabriel begeisterte als zynische und intrigierende Marquise. Beeindruckend war ihre Mimik und Gestik. Christa Pasch überzeugte in der Rolle der zunächst sehr zurückhaltenden, fast keuschen, dann aber die Gefühle zulassenden Madame de Tourvel.
 
Ingrun Waschneck
Buxtehuder Tageblatt, 09.02.2007

 
   

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"Gefährliche Liebschaften" - viel Beifall in Buxtehude

BUXTEHUDE Da wird geliebt, gesäuselt, gelogen und geküsst. Da macht der Vicomte de Valmont der Damenwelt etwas vor. Er hat nur ein Ziel - seine Befriedigung. Er wird von einem weiblichen Schoß in den nächsten getrieben, kann nicht leben, ohne dass er in den Armen einer Frau liegt. Er intrigiert und er heuchelt. Und er erreicht sein Ziel in Christopher Hamptons Schauspiel "Gefährliche Liebschaften". Jedenfalls fast immer. Nur zu echter, inniger Liebe scheint dieser Mann nicht fähig, der mit fünf Frauen auf der Bühne steht, sie eine nach der anderen vernascht.
 
Widerstand, Zurückweisung erlebt der Vicomte erst nach fast zweieinhalb Stunden auf der Bühne der gut besetzten Aula der Halepaghenschule in Buxtehude. Doch mit der Begründung: "Ich kann nicht anders", kommt er nicht an. Das Stück endet tragisch, mit einem Duell, das er nicht überlebt. Dieser Theaterabend war der Abend von Siemen Rühaak. Er kann als Vicomte glänzen, lässt die Verführungskünste spielen, lässt sich immer wieder etwas Neues einfallen.
 
Die Frauen scheinen in der Inszenierung von Pia Hänggi und einem hervorragenden Bühnenbild von Claudia Weinhart fast austauschbar: der gleiche Typ, wenn auch unterschiedlichen Alters, und im Grunde auch willig. Dennoch: Die Darstellerinnen von Gudrun Gabriel bis Anna Kaminski (in einer Doppelrolle) waren alle sehenswert. Es gab viel Beifall für dieses Gastspiel der Theatergastspiele Kempf.
 
A.Br.
Harburger Rundschau, 09.02.07

 
   

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Erotik und Krieg in der Adelswelt
"Gefährliche Liebschaften" in den Peiner Festsälen

Von Iris N. Masson
PEINE. Wenn aus "Gefährliche Liebschaften" verhängnisvolle Affären werden. stehen entweder Glenn Close und John Malkovich in dem mehrfach Oscar ausgezeichneten Film vor der Kamera oder Gudrun Gabriel und Siemen Rühaak im gleichnamigen Schauspiel Christopher Hamptons auf der Bühne.
Sie schultern in den Peiner Festsälen am Donnerstag eine gewaltige Textlast, der Choderlos de Laclos' berühmter Briefroman, eine kluge, kühne, erotische Gesellschaftskritik am Vorabend der Französischen Revolution, zugrunde liegt.
 
Sie treiben eine riskante, infame Ränke um Liebe und Begehren. Mitleidlos suchen beide stets neue Herausforderungen im Reich der Sinne, neue Opfer, die ihr Verlangen nach Macht über Leib und Seele anderer befriedigen. Armselige, skrupellose Charaktere sind sie, ohne Moral, Anstand und Mitgefühl, die sich an keinerlei Spielregeln halten.
 
Grausamkeit, Verrat und Untreue sind für die eiskalte Marquise de Merteuil Tugenden, die sie ihrem einstigen Geliebten, dem berüchtigt verruchten Verführer Vicomte de Valmont, abverlangt. Er soll für sie Rache nehmen an dem sie verschmähenden Comte de Gercourt, indem er seiner Braut, der blutjungen, gerade dem Kloster entkommenen Cecile, die Unschuld raubt Gercourts Bedingung für die Ehe.
 

Herausragend gibt Gudrun Gabriel die dekadente Täuschungsvirtuosin, deren vorgebliches Verständnis und dargereichte Hilfsbereitschaft ihre Opfer in die Falle ihrer Manipulationen lockt. Rühaak bedient die gesamte Klaviatur seines Könnens, das Vertrauen Ceciles zu gewinnen und ihren Körper zu entflammen. Gleichzeitig scheut er nicht vor Erpressung, Einschüchterung, vermeintlichen Wohltaten und Selbstmorddrohungen zurück, die tugendhafte und verheiratete Madame de Tourvel zu verführen, um seine Wette mit der Merteuil und damit eine Liebesnacht zu gewinnen.
Es ist ein grausames Komplott mit Form vollendeten, raffiniert dosierten Intrigen, ein Kriegsspiel im Mikrokosmos der gelangweilten Adelswelt, das keinen Sieger kennt: Zutage tretenden wahren Empfindungen der Gefühlstyrannen sind ihre Waffen nicht gewachsen. Sie unterliegen ihrem psychologischen Kalkül, mit dem sie andere und letztendlich sich selbst in den Abgrund reißen.
 
Gelungen sind die Rokokokostüme. Bemerkenswert ist das Bühnenbild mit seinen goldenen Rahmen, die die einzelnen Spielhandlungen und Charaktere einfassen. Dort werden Gefühle verpasst, um die eigenen nicht zuzulassen. Dort geht die Saat des ausgeklügelt Bösen auf, wird die Verkommenheit des Adels gespiegelt. Ein großartiges Theater um Gefühle, ein starkes Stück Gefühlstheater.
 

 
Peiner Nachrichten, 10.02.02007
 
   

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"Lust ohne liebe zum Ekel"
"Gefährliche liebschaften" als Logik von Hinterlistigkeiten

Peine. Manchmal hat die Erotik außerordentlich schlechte Manieren, wie sich aus dem literarischen Standardwerk des französischen Militaristen und Romanciers Choderlos de Laclos ergibt. Vor gut 200 Jahren verlegte er das weibliche Lustzentrum seiner Protagonistin, der Marquise de Merteuil in deren intellektuell großzügig ausgestattete Gehirnregion.
 
Als geistiger Vater eines veritablen Intriganten-Stadels hauchte er ihr eine menschenverachtende Logik von Hinterlisten ein, die auch noch nach etwa 200 Jahren in Hollywoodproduktionen wie "Eiskalte Engel" oder " Gefährliche Liebschaften" und unter gleichem Titel jüngst auf der Bühne der Festsäle fröhliche Urständ feiern. Unter der Regie von Pia Hänggi waren die Theatergastspiele Kempf mit Christopher Hamptons Bühnenfassung zu Gast. Von ihm stammt übrigens auch die Vorlage für den gleichnamigen Film mit Glenn Close und John Malcovich. Den Peiner Theaterabend bestritten allerdings Gudrun Gabriel als Marquise und Siemen Rühaak als deren lendenstarker Handlanger Vicomte de Valmont.
 
Um es vorwegzunehmen: Die beiden entwickeln sich bühnengerecht als das Traumpaar psychischer Vernichtungsfeldzüge - sie als kalte Strategin und er als lustvoller Matratzensoldat. In kuschelroter Boudoir-Stimmung und goldenen, leeren Rahmen entwickelt Hänggi ein Psycho-Drama, das einerseits den Atem nimmt, andererseits die Absurditäten menschlicher Gemeinheiten trefflich karikiert. Gabriel
präsentiert sich als arrogantes Edelmiststück und garniert dies trefflich mit ihrer uninteressiert-ablehnenden Sprechweise und einer vorzüglichen Mimik. Rühaak dagegen versteckt seine Niedertracht hinter glatter Eleganz, der Anna Kaminski als gescheiterte und lebensfremde Ordensnovizin Cecile ebenso lustvoll erliegt wie als Prostituierte Emile:

Eine Doppelrolle, die fürwahr ihr ganzes schauspielerisches Engagement verlangt. Glanzvoll indessen agiert Christa Pasch als Präsidentin de Tourvel, die als engels- gleiches Opfer den verbalen Verführungskünsten Valmonts zunächst zu widerstehen hat. Wunderbar herausgespielt ihr immer deutlicher nachlassendes mimisches Sperrfeuer, hingebungsvoll dann ihre Kapitulation.
 
Alexander Kreuzer als heiratswilliger und grundanständiger Chevalier Danceny kann einem leidtun, wenn er wie ein hilfloser Hänsel der bösen Marquisen-Hexe verfällt und lernt, dass Lust ohne Liebe zum Ekel führt. Und wie sie alle das Publikum gefangen nehmen:
Hier und da nimmt man geflüsterte Entrüstung wahr, verstecktes Kichern und immer wieder diese angespannte Stille die Distanz zur Bühne schmilzt minütlich. Die Sprache wirkt brillant, gebürstet mit schattenhaften bis derben erotischen Anspielungen, aber immer von eleganter Finesse: Die Übersetzung stammt von Alissa und Martin Walser. In Hamptons Bühnenfassung siegt übrigens die Böse, die literarische Vorlage bedient dagegen das moralische Grundbedürfnis.
 
Ulrich Jaschek
Peiner Allgemeine Zeitung, 10.02.2007

 
   

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Hysterische Marquise
Versierte Intriganten im CPH

Hanau. Christopher Hamptons Dramatisierung von Choderlos de Laclos' berühmtem Briefroman "Gefährliche Liebschaften" wirft einen Blick auf die aristokratische Dekadenz am Vorabend der Französischen Revolution. Die Marquise der Merteuil und ihr früherer Liebhaber Valmont frönen einem besonderen Gesellschaftsspiel. Zu ihrem eigenen Plaisir missbrauchen sie die Gefühle anderer. Ob die minderjährige Cécile, deren empfindsamer Verehrer Danceny oder die verheiratete Präsidentin de Tourvel, sie alle werden zu Spielfiguren in einer grausamen Intrige um Liebe, Tod und sexuelle Hörigkeit.
 
Die Volksbühne Hanau zeigt die neueste Produktion der "Theatergastspiele Kempf". Hamptons Intrigantenstadel (auch als Hollywoodfilm und Oper höchst erfolgreich) bietet prächtiges Rollenfutter für versierte Darsteller. Als Spiel- und Schlachtfeld fungiert eine aparte Wandelhalle, dekoriert mit leeren Goldrahmen. Der Bühnenbildentwurf stammt von Claudia Weinhart. Gudrun Gabriels aufgekratzt hysterische Marquise versteckt ihre eigene Sehnsucht nach Liebe hinter einem schillernden Panzer phantasievoller Manipulationen. Ein eiskalter Joker und formvollendeter Intrigant im Reich der Sinne ist Siemen Rühaaks Valmont. Dieser aristokratische Salonlöwe zeigt Krallen und Zähne, die Kunst der Verstellung ist dem Vicomte zur zweiten Natur geworden.
 
Siemen Rühaak ist ein glänzender Sprecher, die funkelnden Bosheiten werden auf glitzerndem Tablett serviert. Aus ihren Opferrollen schlagen Christa Pasch (Präsidentin de Tourvel) und Anna Kaminski (Cécile) beträchtliches schauspielerisches Kapital. Am Ende fallen die Masken und es zeigen sich gähnender Überdruss und die Langeweile überflüssiger Menschen. Der elegante Saal wandelt sich zum Sterbezimmer, der finalen Ausnüchterungszelle für alle Begierden. Die Darsteller werfen sich in Pose und enden als Rokoko-Figurinen in goldenen Rahmen, reif fürs Museum. Pia Hänggis Inszenierung überzeugt durch ihren Sinn für wechselnde Grade der Stilisierung und sicheres Tempogefühl in den Dialogen. Darf denn Liebe Sünde sein? Jawohl!
 
K.-D. Schüssler
Hanauer Anzeiger, 01.02.2007

 
   
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Reizvolles Intrigenspiel
"Gefährliche Liebschaften" als Tourneepremiere in Neusäß

Mit einem einzigen Werk, einem Briefroman (1781), ging Choderlos de Laclos in die Literaturgeschichte ein. Vermehrt wurde der Ruhm der "Gefährlichen Liebschaften" durch Dramatisierungen (Reiner Müller) und Verfilmungen (u. a. mit Jeanne Moreau und Gerard Philippe, am erfolgreichsten wohl mit Glenn Close und John Malkovich). In der fast ausverkauften Stadthalle Neusäß war das Opus als Bühnenstück zu erleben.
 
Den Theatergastspielen Kempf war es zu danken, dass die Dramatisierung Christopher Hamptons in Neusäß als Tourneepremiere präsentiert wurde. Das kühne Vorhaben, gegen übermächtig anmutende, prägende Filmbilder bestehen zu wollen, kann als insgesamt geglückt angesehen werden.
 
Regisseurin Pia Hänggi ließ das skrupellose Intrigenspiel der ruchlosen Marquise de Merteuil, dem selbst ein so eitler Lebemann wie der Vicomte de Valmont zum Opfer fällt, in prächtiger, historisch stimmiger Kostümierung (Annemarie Rieck) stattfinden. Ein reizvoller Kontrast hierzu ergab sich durch die schlichte, aber wirkungsvolle Bühne (Claudia Weinhart) mit ihren goldenen Bilderrahmen, in denen und zwischen denen die Protagonisten wie Gefangene ihrer Obsessionen und Ängste wirkten. Das eiskalte Ränkespiel der Marquise, dem der Vicomte spätestens dann nicht mehr gewachsen ist, als er sich erstmals ernsthaft verliebt (in die bürgerliche Tourvel), mündete _ in ein wirkungsvolles Schlussbild. Dieses ließ - nach dem hinter Vorhang schattenhaften Duell zwischen erfahrenem (Valmont) und jungem Liebhaber (Danceny) auch das in den Bilderrahmen postierte überlebende Personal wie Tote aussehen.
 
Das Werk, dessen Ausmalung eines völlig morallosen Verhaltens in die aktuelle Wertediskussion zu passen scheint, wurde durch ein lustvoll agierendes Ensemble ausgelebt. Herausragend war die souveräne, allen Erfordernissen der Rolle entsprechende Leistung von Siemen Rühaak, der einen formidablen Valmont abgab. Stark auch Gudrun Gabriel als angemessen verruchte Marquise, wenngleich sie das Souveräne, Eiskalte dieser Intrigantin gelegentlich ein wenig zu schrill anlegte. Christa Pasch (die fromme Tourvel), Anna Kaminski (Cecile/Emile), Dunja Bengsch (Madame de Volanges), Helga Fellerer (Madame de Rosemonde), Alexander Kreuzer (Danceny), Arik B. Seils (Azolan) und Christian Janda (Majordomus/Diener) rundeten das homogene Ensemble ab. Eine stark applaudierte Tourneepremiere.
 
Von Thomas Niedermair
Augsburger Allgemeine Nr. 24 H, Di. 30.01.07

 
   
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