Der Autor des Stückes - er war aus Toronto angereist und verfolgte die Aufführung der Theatergastspiele Kempf im Kulturellen Gebäude in Aschheim - spricht zwar kein Deutsch. Doch allein Sachtlebens markante Stimme, seine Mimik und Gestik hätten wunderbar zur Hauptrolle gepasst, lobte Poch-Goldin. Im Zentrum des mit dem "Toronto Jewish Playwriting Award" prämierten Werks ist eine Familiengeschichte. Der Tod seiner Frau hat Meyer einen in Kanada lebenden Juden, schwer mitgenommen. In ihrem Andenken stiftet er Bäume für Israel und zündet an ihrem Todestag, der so genannten "Yahrzeit", nach jüdischer Tradition eine Kerze an. Als Sohn Mark (Michael Rast) nach seiner Scheidung bei Meyer einzieht, taucht auch Tochter Jackie (Esther Urbanski) auf, die nach dem Begräbnis der Mutter geflohen war. Zwischen dem lesbischen Hippie-Mädchen und ihrem sturköpfigen Vater kommt es zum offenen Konflikt. Kurz darauf zieht auch Mark nach einem Streit aus. "Ich will doch nur, dass meine Kinder glücklich sind", sagt Meyer verzweifelt. Doch je mehr er sich in ihr Leben einmischt, desto größer wird die Entfremdung. Gleichzeitig wachsen Meyer unvermutet zwei andere Menschen ans Herz. Zum einen die serbisch-orthodoxe Putzfrau Ruzica (Judith Pfistner), mit der ihn eine Art Hassliebe verbindet. Zum an deren der geistig zurückgebliebene Nachbarssohn Devon (Simon Pearce), der Meyer nach einem Herzanfall das Leben rettet. Dank ihnen findet der Witwer neuen Lebensmut und gibt sich am Ende versöhnlich: "Wenn ich einen Baum pflanze - vielleicht können eines Tages ein Araber und ein Jude darunter sitzen und sich den Schatten teilen." Sachtleben ist der Part des Meyer Jacobs auf den Leib geschneidert. Egal ob er tief bewegt um seine Frau trauert, sich hasserfüllte Streitgespräche mit Jackie liefert oder freudentrunken über die Bühne tanzt - der 77-Jährige gibt das breite Gefühlsspektrum des launischen Dickschädels glaubhaft wieder. Dieser Meinung waren auch die über 300 Gäste im voll besetzten Saal, die Sachtleben mit tosendem Applaus und Bravo-Rufen feierten. Der Schauspieler bedankte sich artig beim Autor: "Ich bin glücklich, dass wir ihr tolles Stück spielen durften", sagte Sachtleben. "Es hat uns sehr viel Freude bereitet." Münchner Merkur, 24. April 2008 - ps |
Brillanter Horst Sachtleben Was bleibt, wenn wir tot sind? Der Kanadier Alex-Poch-Goldin widmet sich im Stück "Jahrestag" dieser Frage. Das Drama kam in einer darstellerisch exzellenten deutschen Erstaufführungsbesetzung in die Gersthofener Stadthalle. Regisseurin Pia Hänggi bot ihrem Protagonisten Horst Sachtleben viel Raum zur Entfaltung. Dass die Aufführung zum packenden Theaterabend geriet, ist vor allem das Verdienst von Horst Sachtleben, der mit niemals schwindender Präsenz das anrührende Bild eines von seinem Schicksal verhärteten Mannes darbot. Augsburger Allgemeine, 20.02.2008 Familien-Saga mit Polit-Zutaten Horst Sachtleben und Judith Pfistner glänzten in ihren Rollen als starrköpfiger Hausherr und fürsorgliche Haushälterin Trotz seines verbitterten Humors ist er dem Zuschauer von Anfang an sympathisch. Horst Sachtleben weiß in der Rolle des grantigen und trotzdem liebenswerten Meyer zu überzeugen. Es ist ein Stück der großen Emotionen und der Generationskonflikte innerhalb einer Familie. Die Schauspieler verkörpern ihre Rollen glaubhaft und auf hohem Niveau. Ein alter Mann findet trotz seiner Ecken und Kanten letztendlich auf Umwegen seinen inneren Frieden. Rheinische Post, 25.02.08 Friedenspakt mit sich selbst "Jahrestag" fragte nach der Machbarkeit eigenen Glücks "Versuch, glücklich zu sein, besser kommt's vielleicht nicht!" Das beste aus seinem Leben zu machen, auch wenn Hoffnungen, Träume und hehre Erwartungen letztendlich unerfüllt blieben - das ist selbstverständlich nicht immer so einfach: Chirurg hätte Meyer Jacobs ursprünglich werden wollen. Nicht bloß so ein kleiner Schneider, dem der berufliche Bankrott allerdings weniger zu schaffen macht als das Scheitern von Ehe- und Familienleben. Im Stadttheater spielte Horst Sachtleben (Synchronstimme von Harvey Keitel, Peter Falk, Woody Allen) diesen Meyer als störrischen Misanthropen, unter dessen rauer Schale feinsinniger Humor und vor allem ein großes Herz steckt. "Es gibt für jeden von uns einen Platz", heißt es im mit dem "Jewish Playwriting Award" ausgezeichneten Drama, welches das Versöhnungsmotiv über den Weg der (fiktiven) Biographien seiner Figuren auch auf eine politische Ebene überträgt. Cuxhavener Nachrichten, 5.03.2008 Von der Entfremdung der Generationen Das zeitgemäße Schauspiel "Jahrestag" regte am Sonntagabend die Zuschauer im Odeon zum Nachdenken an Generationskonflikte, Religion und Einsamkeit. All dieses und noch viel mehr thematisierte das Schauspiel "Jahrestag" am Sonntagabend im Odeon-Theater. Das erfolgreiche Stück von Alex Poch-Goldin erlebt zur Zeit seine deutsche Erstaufführung mit einer Produktion der Theatergastspiele Kempf. Die Schauspieler zeigen sich von ihrer besten Seite, allen voran der 78 (!) Jahre alte Horst Sachtleben, bekannt unter anderem als Bischof aus der Serie "Um Himmels Willen". Das auf der Bühne dargestellte Unvermögen der Menschen, zueinander zu finden, regt zum Nachdenken über die Entfremdung der Generationen an. Goslarsche Zeitung, 4.02.3008 |
"Jahrestag" kommt vergnüglich und nachdenklich daher DELMENHORST. Es gibt derzeit eine schöngeistige Literatur mit der Botschaft, dass sich die Probleme der Welt lösen lassen, wenn wir alle nur in Harmonie miteinander leben. Diese Idee hat der kanadische Autor Alex Poch-Goldin in seinem Stück "Jahrestag" nun auch auf die Bühne übertragen. Das Stück, das in einer Produktion der "Theatergastspiele Kempf" gerade erst seine deutsche Erstaufführung erlebte, sorgte am Mittwochabend im Kleinen Haus für einen anregenden, ebenso vergnüglichen wie nachdenkenswerten Theaterabend, den das Publikum denn auch mit langem Applaus bedachte. Der Autor hat die ganz private Geschichte des alten, gerade vom ersten Schlaganfall genesenen Meyer Jacobs in vielen kurzen, aneinandergereihten Szenen gedanklich mit zwei Problemzonen der Weltgeschichte verknüpft. Meyer, dem Juden, nahe steht der arabisch-israelische Konflikt. In Person seiner serbischen Pflegerin geht es außerdem um die unmenschlichen Folgen des Balkankriegs. Wenn Meyer beträchtliche Summen für einen Wald im arabisch-israelischen Krisengebiet spendet, dann träumt er davon, wie "ein Araber und ein Jude unter meinem Baum gemeinsam sitzen und Schatten suchen. Dann gibt es Frieden". Dass seine Spenden abgezweigt sind vom Geld seines Sohnes Mark für seine Medikamente, und dies neben anderem Anlass für Unfrieden im eigenen Haus ist, macht nachdenklich. Zwischen Meyer und Mark herrschen so die üblichen Vater-Sohn-Spannungen. Seine Tochter Jackie aber hat er nach dem Tod seiner geschiedenen Frau aus dem Haus getrieben. Während sein Verhältnis zu Mark dem Autor lohnender Anlass für allerlei bösen Dialogwitz ist, der auch vor der eigenen leidvollen Geschichte nicht halt macht ("Du musst mehr essen, siehst aus, als kämste gerade aus Auschwitz"), steht die Vater-Tochter-Beziehung für tiefe Generationsprobleme und in der Unerbittlichkeit des Vaters und dem Selbstbewusstsein der Tochter ("Ich bin ich. Das ist alles!") zugleich für weltpolitische Unüberwindbarkeiten. Und doch liegen sich Vater und Tochter irgendwann im Arm und verzeihen sich. Ob das "bisschen Frieden" auf die große Welt übertragbar ist, steht zu bezweifeln. Vielleicht kommt Ruzica mit ihrer Erfahrung schlimmsten Hasses der Lösung noch am nächsten: "Frieden? Das braucht einfach nur Zeit." Judith Pfistner spielt diese Pflegerin mit burschikos-menschlicher Wärme, eine kleine Rolle voller Bühnenwirksamkeit. Das gilt auch für den spendensammelnden Devon, der nicht sehr schnell im Kopf ist, aber das Leben anpackt und Meyer beim zweiten Schlaganfall wiederbelebt. Simon Pearce verleiht ihm eine kraftvolle, anrührende Naivität. Horst Sachtleben gibt den Meyer unter der sensiblen Personenführung der Regisseurin Pia Hänggi meisterhaft als sehr vielschichtigen Charakter: Ein alter, böser Mann, witzig, mit spitzer, schneller Zunge, gleichzeitig weltklug, warmherzig, mit hoher Eindringlichkeit: "Genieße das Leben!" Michael Rast als Mark ist zuerst der fürsorgliche Sohn mit israelkritischen Gedanken, der sich der Autorität des Vaters geschickt und energisch entwindet, am Schluss aber seinen erlösenden Zornesausbruch hat. Esther Urbanski ist die "missratene Tochter" Jackie, und sie macht aus dieser hippieesken Figur ein Symbol der Freiheit, ihrer eigenen und der, die ihr Bruder sich nicht genommen hat. Die menschlichen Wahrheiten, die sie gegen Ende ausspricht, schaffen den Frieden zwischen Tochter und Vater. von Günter Matysiak, Weser Kurier/ Delmenhorster Kurier, 28.02.2008 |
KULTUR. In der Aula am Berliner Ring feierte das Stück "Jahrestag" des Kanadiers Alex Poch-Goldin deutschsprachige Erstaufführung. Mit Generationskonflikten, Religion und viel feinsinnigem Humor. MONHEIM. Generationskonflikte, Religion, Politik und eine große Portion feinsinniger Humor. All das und mehr umfasst das großartige Drama "Jahrestag" des Kanadiers Alex Poch-Goldin, das in der sehr gut gefüllten Aula am Berliner Ring in deutschsprachiger Erstaufführung gezeigt wurde. "Yahrzeit", das ist nicht nur der Originaltitel des Stückes, sondern auch das jiddische Wort für den rituellen Totengedenktag. Jeden Tag seines Lebens widmet der alte und kranke Meyer Jacobs (Horst Sachtleben), Spross russisch-jüdischer Immigranten, dem Andenken an seine verstorbene Frau. Sein Sohn Mark (Michael Rast), auf dessen finanzielle Unterstützung Meyer angewiesen ist, zieht nach der Trennung von seiner Frau zu seinem Vater. Überraschend taucht Meyers lesbische Tochter Jackie (Esther Urbanski) auf, die nach dem Tod der Mutter als Hippie durch die Welt gereist war. Nach einem heftigen Streit mit ihr, deren Lebensweise der Vater nicht akzeptieren will, bricht Jacobs mit einer Herzattacke zusammen, doch der Nachbarsjunge Devon (Simon Pearce) rettet ihm das Leben. In dem Jungen und seiner serbischen Haushaltshilfe Ruzica (Judith Pfistner) sucht der alte Mann eine Ersatzfamilie. In vielen kurzen Einzelszenen wird hier nicht nur eine dramatische Familiengeschichte erzählt, nebenbei thematisiert das Stück aktuelles Weltgeschehen wie die Folgen des Kosovo-Krieges oder den Konflikt um den Gazastreifen - so wünscht sich Meyer, dass "ein Araber und ein Israeli eines Tages im Schatten des selben Baumes sitzen können". Herausragende Schauspieler Zum Gelingen des Stoffes trugen nicht zuletzt die herausragenden Leistungen der Darsteller bei - allen voran Horst Sachtleben, der den starrköpfigen, jiddische Anekdoten erzählenden Meyer Jacobs brillant verkörperte. Authentisch gab auch Michael Rast den midlifecrisis-geschüttelten Sohn Mark, Esther Urbanski in der Rolle seiner Schwester Jackie zeigte sich ebenfalls von ihrer besten schauspielerischen Seite. Die amüsante Hassliebe zwischen Meyer Jacobs und seiner Haushälterin verdankte ihren Charme vor allem Judith Pfistner in der Rolle der Ruzica. Vor dem extrem detailverliebt gestalteten Bühnenbild erinnerte das Stück dank seiner pointierten Dialoge wegen bisweilen an Kinodramen wie Mark Rydells "Haus am See". Dabei kam es aber ohne Kitsch und viel symbolträchtiger daher. Der minutenlange, donnernde Applaus in der Aula war für diese Inszenierung des Gastspielhauses Kempf in jedem Fall gerechtfertigt. von PETER SIEBEN, WAZ, 24.02.2008 |
Grünwalder Theatergastspiele Kempf zeigt "Jahrestag" Unterhaching. Zum Gedenken an seine verstorbene Frau zündet der in Toronto lebende Jude Meyer Jacobs nicht nur an ihrem Todestag, dem "Jahrestag" Kerzen an und stiftet Bäume für Israel. Einen ganzen Wald hat er dort schon von dem Geld pflanzen lassen, das ihm sein Sohn Mark eigentlich für den Kauf notwendiger Medikamente gibt. Meyer Jacobs ist ein in die Jahre gekommener liebenswerter Dickkopf. Die Konflikte, die er mit sich, seinen Kindern und der Welt austrägt, erzählt Alex Poch-Goldins eindrucksvolles Schauspiel "Jahrestag" ("Yahrzeit"), das mit dem "Toronto Jewish Playwriting Award" ausgezeichnet wurde. Als Deutsche Erstaufführung war die Produktion der Grünwalder Theatergastspiele Kempf am vergangenen Freitag zwei Tage nach ihrer Premiere im Kubiz zu sehen. Auch wenn viel Humor in den Dialogen steckt: "Jahrestag" ist keine leicht verdauliche Komödie. Und die Handlung spielt sich nicht nur in Meyer Jacobs Haus in Kanada und im Generationskonflikt mit seinen Kindern ab, sondern bezieht auch die tragische Vergangenheit der Juden, den Konflikt zwischen Israel und Palästina und den Krieg im ehemaligen Jugoslawien mit ein. Dieser dramatischen Vielschichtigkeit des Stücks wurde Pia Hänggi mit ihrer klugen Regiearbeit gerecht, die vorzügliche Schauspieler in szenisch durchdachten Bühnenbildern (Gerhard Reihl) beeindruckend agieren ließ. Horst Sachtleben gab der Figur des Meyer Jacobs satirisch gezeichnete Tiefgründigkeit. Den von sentimentalen Erinnerungen, Hinfälligkeit und der Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt Zerrissenen brachte er facettenreich auf die Bühne. In der Auseinandersetzung mit Sohn Mark (Michael Rast), der Israel wegen dessen Unnachgiebigkeit gegenüber den Palästinensern kritisiert, muss sich Meyer Jacobs auch mit seiner religiösen Tradition auseinandersetzen. Mark enttäuscht seinen Vater, weil seine Ehe scheitert und er ihm keinen Enkel schenkt. Von seiner lebenslustigen Tochter Jackie (Esther Urbanski) trennt den Vater dessen Toleranz gegenüber einem so völlig anderen Wertesystem. Mit seiner serbischen Haushälterin Ružika (Judith Pfistner mit authentisch hartem Akzent) verbindet Meyer Jacobs eine Hassliebe und die Abscheu vor dem Krieg. Allein zu dem Nachbarsjungen Devon, den Simon Pearce im Pfadfinder-Outfit herrlich begriffsstutzig spielt, kann der alte Mann bedingungslose Zuneigung entwickeln. "Wenn ich einen Baum pflanze - vielleicht können eines Tages ein Araber und ein Jude darunter sitzen und sich den Schatten teilen", sagt Meyer Jacobs am versöhnlichen Ende dieses Stücks, das starke Gedanken über das Leben, den Tod, Moslems, Juden, Terror und Krieg transportiert. Ein Schauspiel wie die zwischen den Szenen eingespielte Klezmer-Musik: lustig und traurig zugleich. Im Kubiz gab es großen Beifall für diesen großen Theaterabend. von Roswitha Grosse, Süddeutsche Zeitung, 23./24.02.2008 |